Archiv: Bisherige Videos, Texte, Buchbesprechungen

Bisherige VIDEOS

"Die Kraft des Empowerment"

Januar 2022

Pfarrerin Dr. Sabrina Müller ist Geschäftsleiterin des Universitären Forschungsschwerpunkts Digital Religion(s) und Lehrbeauftragte für Praktische Theologie an der Universität Zürich. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit Theorie und Praxis einer zukunftsfähigen Kirche.

Auf der digitalen midi-Jahrestagung am 1. Juni 2021 hielt Sabrina Müller den Vortrag „Die Kraft des Empowerments“.

>> Vortrag auf Youtube anschauen

"Das gefühlte Corona"

März 2022

Sandra Bils ist evangelische Pastorin, theologische Referentin bei midi – Evangelische Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung und hat an der CVJM-Hochschule Kassel eine Honorarprofessur für missionarische Kirchenentwicklung inne.

Über „Disruptive Ekklesiologie. Eine kirchenentwicklerische Perspektive auf Corona“ sprach Dr. Sandra Bils auf der digitalen midi-Tagung „Das gefühlte Corona – Erfahrungen mit der Pandemie und die Folgen für die kirchliche und diakonische Praxis“.

>> Vortrag auf Youtube anschauen

"Ein neues Zeitalter der Angst?!"

Mai 2022

Thorsten Dietz hat evangelische Theologie und Philosophie studiert. Nach Vikariat und Pfarramt schrieb er in Marburg eine Doktorarbeit über das Thema »Der Begriff der Furcht bei Luther«. Für diese Arbeit wurde er 2010 mit dem Martin-Luther-Preis der Luthergesellschaft ausgezeichnet. 2011 wurde er zum Professor für Systematische Theologie an der Evangelischen Hochschule TABOR in Marburg berufen.

Die Angst rund um Corona hat alle anderen Ängste in den Hintergrund gedrängt. Wir leben wirklich in einem neuen Zeitalter der Angst. Welche Rolle spielt da der Glaube? Wie kann Gottvertrauen trösten? Das Spannungsfeld zwischen Verheissung und Realität führt oft zu spirituellen Konflikten. Und dort wo Religion zum System erstarrt, wo Macht ausgeübt wird, dort entstehen berechtigte Ängste. Wie kann man diese überwinden? Die Tagung beleuchtet Glaube und Angst aus theologischer, anthropologischer und psychologischer Sicht.

>> Vortrag auf Youtube anschauen

"Wie verändert Kirche unser Kirchesein?"

Juli 2022

Tobias Faix ist ein deutscher evangelischer Theologe und Sachbuchautor. Er ist Professor für Praktische Theologie an der CVJM-Hochschule in Kassel mit den Schwerpunkten Gemeindepädagogik, interkulturelle und empirische Theologie. Außerdem ist er außerordentlicher Professor an der staatlichen Universität von Südafrika.

Wie verändert Corona unser Kirchesein? Tobias Faix spricht über die Einordnung digitaler Gottesdienste, Abendmahls- und Eucharistiefeiern, Frust und Freude von Videokonferenzen und über das Ausprobieren neuer neue Wege.

>> Vortrag auf Youtube anschauen

"Die Kraft religiöser Erfahrung"

September 2022

Pfarrerin Dr. Sabrina Müller ist Geschäftsleiterin des Universitären Forschungsschwerpunkts "Digital Religion(s)" und Lehrbeauftragte für Praktische Theologie an der Universität Zürich. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit Theorie und Praxis einer zukunftsfähigen Kirche.

Auf der digitalen midi-Jahrestagung am 31. Mai 2021 hielt Sabrina Müller den Vortrag „Die Kraft religiöser Erfahrung“

>> Vortrag auf Youtube anschauen

"Postkolonial-feministische Theologie"

November 2022

Wer kritisch und sensibel predigt, kann der Gottesdienst-Gemeinde neue Horizonte eröffnen. Und wer für die Zuhörenden umsetzt, was postkolonial-feministische Theologie erarbeitet hat, kann dazu beitragen, dass sich wirklich etwas verändert in Gemeinde und Gesellschaft. Deshalb wird es auf der Kanzel ernst: Schaffen wir es, die Ergebnisse diversitysensibler Theologie unter die Leute zu bringen? Und wie werden wir darauf vorbereitet?

PD. Dr. Sabrina Müller hat deutsche Homiletikseminare und die gängige Standardliteratur näher beleuchtet und dekonstruiert. Sie forscht am Zentrum für Kirchenentwicklung der Universität Zürich. Im Vortrag diskutiert sie, wie eine postkolonial-feministische Perspektive die Homiletik bereichern kann.

>> Vortrag auf Youtube anschauen


Bisherige BEITRÄGE


Die Verwandlung der Kirche (Teil 1)

[Artikel des Monats Januar 2022]

Teil 1 von 5

Corona hat gezeigt, wie reformfähig und beweglich Kirche sein kann. Aber es bestehen die berechtigten Bedenken, dass dies nur temporäre Veränderungsprozesse sind und dass alte Muster sich in der Postcoronazeit wieder durchsetzen.

Der slowenische Philosoph Slavoj Zizek sagte im Höhepunkt der Coronakrise: "Wir werden durch Corona unsere gesamte Einstellung gegenüber dem Leben anpassen - Im Sinne unserer Existenz als Lebewesen inmiten anderer Lebensformen."

Was für die einen wie ein Schreckensszenario klingt, bedeutet für andere Hoffnung. Deshalb ist eine Diskussion über die Verwandlung der Kirche notwendig und diese hat auch schon auf fast allen Ebenen begonnen. Nichts wird wieder normal und genau darin liegt für Kirche die Chance. Die geglückten Angsüberwindungen der letzten Wochen mit der praktischen Erfahrung, dass Kirche doch veränderbar ist, eröffnen eine neue Zeitenrechnung.

Weiterlesen auf der Seite von Tobias Faix

Die Verwandlung der Kirche (Teil 2)

[Artikel des Monats Februar 2022]

Teil 2 von 5

Wir leben in Krisenzeiten und damit in Zeiten von Transformation – mit und ohne Covid-19-Pandemie. Letztere bringt zwar viel Leid hervor, das keinesfalls verharmlos werden darf, macht in vielen Fällen aber nur besonders deutlich, in welchen Umbruchsprozessen und vor welchen Herausforderungen wir überhaupt stehen.

Dies gilt für das Thema Digitalisierung und dessen Auswirkungen auf kirchliche Entwicklungen, wie Tobias Faix im ersten Beitrag dieser Reihe gezeigt hat, dies gilt aber auch für ein weiteres Thema, das auch für uns alle kein Neuland sein sollte und doch irgendwie immer noch ist: Nennen möchte ich es das Vergemeinschaftungsparadox. Was verstehe ich darunter? Nehmen wir dazu einen kleinen Umweg über unsere aktuelle Situation in der Covid-19-Pandemie.

Weiterlesen auf der Seite von Tobias Faix

Die Verwandlung der Kirche (Teil 3)

[Artikel des Monats März 2022]

Teil 3 von 5

Corona hat uns als kleine Kirchengemeinde wie viele „kalt erwischt“. So scheint es mir auch noch im Rückblick. Ich dachte, wir wären als „Zellgemeinde“ auf „so etwas“ vorbereitet und könnten damit umgehen. Bei aller Lernbereitschaft und Offenheit gegenüber digitalen Medien erfasste mich dennoch ein dumpfes Unwohlsein. Dieses Empfinden hält immer noch an. Es zeichnen sich aber auch erste Konturen von etwas Neuem ab.

Weiterlesen auf der Seite von Tobias Faix

Die Verwandlung der Kirche (Teil 4)

[Artikel des Monats April 2022]

Teil 4 von 5

Das vergangene Jahr war für viele Kirchen und Gemeinden ein lehrreiches Jahr und wir haben in den ersten drei Teilen unserer Serie “Die Verwandlung der Kirche” die Lehren der Veränderungsprozesse im Blick auf den digitalen Wandel aufgenommen, reflektiert und versucht für die Praxis auszuwerten. Im vierten Teil wollen wir das fortführen und einen Ausblick wagen: Wie können die vielen positiven digitalen Erfahrungen ein fester Bestandteil von Kirche werden?

Weiterlesen auf der Seite von Tobias Faix

Die Verwandlung der Kirche (Teil 5.1)

[Artikel des Monats Mai 2022]

Teil 5.1 von 5

Gastbeitrag von Arne Bachmann

Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen: Ich habe jetzt bestimmt seit fast einem Jahr keinen Gottesdienst mehr gefeiert, auch nicht digital. Und? Habe ich das wirklich vermisst? Fehlt mir irgendetwas? Ich bin mir nicht sicher. Und vielleicht geht damit auch eine Unsicherheit einher, die Frage überhaupt zu beantworten: „Was macht Corona aus der Kirche?“ Ich habe keine Ahnung und spüre auch: für eine gute Antwort ist es mir noch viel zu früh. Viele frühe Deutungen der Coronakrise werden sich vielleicht auch als Schnellschuss erweisen. An welchen Stellen Corona umwälzend sein wird und an welchen Stellen eine Re-Normaliserung eintritt, die wir uns jetzt – mitten in der Krise – nicht vorstellen können: Wer könnte das mit welchen Argumenten so genau wissen? 

Weiterlesen auf der Seite von Tobias Faix

"Hindernisse einer gewaltfreien Kommunikation"

[Artikel des Monats Juni 2022]

Von Silvio Fritzsch

Gewalt ohne Ende?

Aktuelle Entwicklungen im Jahr 2022 erschüttern einmal mehr den Glauben an einen global-gesellschaftlichen Konsens, bei gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen an die Menschheit gewaltfreie Lösungen als alternativlos zu betrachten. Perspektiven, welche Gewalt gerne als überkommen und rückschrittlich einordnen würden, geraten zunehmend unter Druck. Das Ausmaß und die Anzahl solcher „Rückschritte“  macht es ab einem gewissen Punkt schwer bis unmöglich ein Überkommen weiterhin zu rechtfertigen. Da dies noch lange kein Grund ist, eine Vision von Gewaltfreiheit aufzugeben, braucht es aber umso mehr Theorien von Gewaltfreiheit, die sich tiefgründig mit dem Phänomen menschlicher Gewalt auseinandersetzen. In meiner Masterarbeit habe ich zwei solcher Konzepte analysiert und gegenseitig ins Gespräch gebracht: Die gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg (GFK) und die mimetische Theorie (MT) von René Girard.

Dies ist ein Ausblick über die Masterarbeit „Zur Transformation der GFK“ im Studiengang Transformationsstudien: Öffentliche Theologie und Soziale Arbeit", wenn du die ganze Masterarbeit lesen willst, dann kannst du das hier tun: https://www.cvjm-hochschule.de/fileadmin/9_MASTERARBEITEN/Transformation_GFK_Fritzsch.pdf

Weitere spannende Masterarbeiten findest du hier: https://www.cvjm-hochschule.de/studium/transformationsstudien-oeffentliche-theologie-soziale-arbeit-ma/masterarbeiten#c3565

"Teile und herrsche"

[Artikel des Monats Juli 2022]

"Teile und herrsche"

Thomas Kaufmanns jüngstes Buch „Die Druckmacher“ zeigt auf, was die Generation Luther sprachfähig machte

by Tanja Kasischke


Die Reformation begann an der Druckerpresse. Wie der Hammerschlag dramaturgisch umgesetzt war, mit dem Martin Luther am Abend des 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen ans Portal der Wittenberger Schlosskirche heftete (falls er ihn selbst ausführte, woran gezweifelt werden darf), und wie viel Dichtung der Wahrheit sukzessiv beigemischt wurde, ist für den Ausgangspunkt des Geschehens irrelevant. Entscheidend war: Luthers Thesen wurden zweimal veröffentlicht; einmal am Kirchportal, das damals die Funktion eines Schwarzen Bretts hatte, ein weiteres Mal in der Druckmetropole Leipzig. „Nicht mehr der traditionelle institutionelle Ort des intellektuellen beziehungsweise wissenschaftlichen Konfliktaustrags, die Disputation, wurde gesucht, sondern der freie, räumlich entgrenzte Diskurs derer, die sich zu einer Meinungsäußerung über anspruchsvolle Thesen berufen fühlten“, schreibt der Göttinger Historiker Thomas Kaufmann. In seinem jüngsten Buch „Die Druckmacher“ rollt er die erste Medienrevolution auf, analysiert den Buchdruck als Erfolgsfaktor für die Generation Luther – und umgekehrt


Unstrittig war die Bevölkerung zu Beginn des 16. Jahrhunderts im Krisenmodus; die Zeichen standen auf Veränderung. Die Weltsicht hatte sich durch Kolumbus’ Reisen verschoben, der westliche Horizont wurde weiter, dafür rückten von Osten die Türken bis Wien und führten den Menschen die eigene Endlichkeit ihres Raumes und ihres Daseins vor Auge. Angst war die eine Variable, Neugier die andere. Denn zugleich eröffnete der um 1450 einsetzende, mechanische Buchdruck neue Welten; er revolutionierte die Verfügbarkeit von Wissen und Information und passte die Kommunikation den ökonomischen Vernetzungsstrukturen an. Thomas Kaufmann schreibt anschaulich über den Hype Handlungsreisender, die sich mit Reproduktionsmethoden vertraut machen, sowie über Büchermenschen, die sich darin überboten, neue Publikationen zu erwerben. Johannes Reuchlin, dessen 500. Todestag wir in diesen Tagen (30. Juni 1522) begehen, war einer davon. Seinem Großneffen Philipp Melanchthon vererbte er beides, den Einsatz für die Demokratisierung der Bildung „wider der Mönchsherrschaft“, als auch das „tendenziöse Narrativ“, das mit der schnelleren, mitunter unreflektierten Verbreitung von Nachrichten einherging. Kaufmann gibt zu bedenken, dass sich das Papsttum die neuen Formen der Kommunikation gleichermaßen dienstbar machte; Stichwort Ablass.

Dem Reformationskenner gelingt ein populärwissenschaftliches Narrativ, dass den Band leicht lesbar macht. Wer sich nicht dezidiert mit der DNA der Lutherzeit auskennt, muss keine Überforderung fürchten. Das Wesen des Buchdrucks und die Intention der Massenmedien sind stringent übersetzt: Teile und herrsche; das Prinzip bestimmte bereits den analogen Medienkonsum. Wer informiert war oder es von sich glaubte, wurde mündig. Zumindest galt das für den männlichen Teil der Bevölkerung. Das gedruckte Leitmedium beanspruchte moralische Hoheit; institutionelle Zuordnungen griffen nicht mehr. Luthers Leistung – und die seines Teams – bestand darin, den gesellschaftlich neu verhandelten Geist auch spirituell so einzuordnen, dass es den Konsumgewohnheiten entsprach. Etwa mit den Freiheitsschriften (1520) oder der Confessio Augustana (1530). Die Volksbildung bezog „Knaben und Maidlein“ ein, wie Luther notierte, „damit Leben in Gemeinschaft gelinge“. Die Reformatoren versuchten so, die erste gesellschaftliche Transformation der Neuzeit in Worte zu fassen. Der Buchdruck hatte die Welt partizipativ und zugleich diffus werden lassen, weil Schutzräume, auch kommunikative, beim Tempo der technischen Innovation ungeklärt blieben, vergleichbar sozialen Medien heute. Die Reformation klärte einiges, nicht alles. Wo Kirche den Umwälzungsprozess nicht schnell genug zu begleiten vermochte, entglitt der Diskurs. Auch dieses Phänomen erodierter Mitte versus radikaler Ränder ist ein wiederkehrendes.

Das Beispiel Reuchlin-Melanchthon zeigt, dass das Verständnis von Innovation nicht mehr linear von einer Generation auf die folgende überging, sondern wie Kommunikation von innen nach außen verlagert wurde und sich das eigene Selbstverstehen reformierte. Dazu Kaufmann: „Die kulturellen Auswirkungen der ersten Medienrevolution zeigten sich im Abstand einiger Jahrzehnte, und dann begann sie, erhebliche gesellschaftliche Umwälzungen in Gang zu setzen.“ Er öffnet damit den Raum für Diskussionen, wie sie aktuell in den Transformationsstudien geführt werden: Wie eruptiv sind Veränderungen tatsächlich, ist der Blick auf die hohen Ausschläge nicht falsch angesetzt, weil Wandel gleitend vor sich geht? Sind entfesselte gesellschaftliche Transformationen „unter Druck“ (im Wortsinn) wirksamer, weil das Brennglas von Licht nach Dunkel ihre Akzeptanz beschleunigt?

Kaufmann denkt klein genug, um seinen roten Faden konsequent zu führen, und groß genug, um den Begriff der Medienrevolution ins Heute lancieren zu können, ohne dass er Gefahr läuft, den historischen Fokus seines Buchs zu verlieren. Kritik, er würde seiner Analyse der medialen Umwälzung damals keine Einschätzung der Digitalisierung heute folgen lassen, ist unbegründet. Denn das ist keineswegs Intention der „Druckmacher“. Die liegt vielmehr auf der prozesshaften Entwicklung öffentlicher Kommunikationsräume. Der Historiker ist ein rückwärtsgewandter Prophet, hat Friedrich Schlegel erkannt. Kaufmanns Herangehensweise ist entsprechend: Für den Historiker ist es zulässig, Gegenwärtiges in Kenntnis des Vergangenen zu diskutieren, die Wertung aber dort stehenzulassen.  

Ergänzungen, Kritik und Praxisbeispiele sind herzlich willkommen!

 

"Gestaltungsansatz für eine sozial-ökologische Transformation"

[Artikel des Monats August 2022]

"Gestaltungsansatz für eine sozial-ökologische Transformation in der christlichen Kinder- und Jugendarbeit"

by Kristina Büchle


Vor kurzem habe ich mit einer Gruppe Kinder in der Nähe unseres Jugendhauses Müll an den Straßenrändern und Gebüschen eingesammelt. Ich dachte es wäre mehr Überzeugungsarbeit notwendig, aber die Kinder waren ganz begeistert bei der Sache. Nach einer Weile wurde ich nachdenklich. Neben diversen Plastikverpackungen waren es vor allem unzählige Zigarettenstummel und leere Alkoholflaschen, die die Kinder in ihre Müllsäcke packten. 8-jährige Kinder sammeln den Dreck ein, den offensichtlich Erwachsene in der Welt hinterlassen haben. Für mich ein Sinnbild für die Situation, in der Kinder und Jugendliche heute aufwachsen. Sie werden in einer Welt groß, die kontinuierlich an ihre Grenzen stößt – planetar (z.B. Erderwärmung oder Übersäuerung der Meere) wie auch sozial/ politisch (z.B. Kriege oder Armut). Verursacht haben das nicht sie selbst, sondern die Generationen vor ihnen. Die jungen Menschen stehen nun vor der Aufgabe ihr Leben mit diesen Gegebenheiten zu gestalten. In Jugendstudien (z.B. in der Shell-Jugendstudie) wird ersichtlich, dass Angst um die Zukunft und das Klima aktuell zu den größten Sorgen der jungen Generation gehören. Trotzdem oder gerade deshalb sind viele bereit sich einzusetzen. Sie demonstrieren, sie werden selbst aktiv - und zugleich sind sie damit unsicher und überfordert. Zurecht.


Was für einen Auftrag, was für eine Verantwortung haben wir da als Erwachsene, als Sozialarbeiter_innen, als Jugendverbände diese jungen Leute zu unterstützen, sie zu befähigen eine lebenswerte Zukunft in dieser komplexen Welt zu entwickeln. Und zugleich unseren Beitrag zu leisten, damit eine Transformation hin zu einer Postwachstumsgesellschaft möglich ist - einer Welt, in der es nicht immer nur um ‚größer‘, ‚schneller‘ und ‚weiter‘ geht, sondern in der Grenzen geachtet werden und achtsam konsumiert wird. In der Frage wie das umgesetzt werden kann, stoßen auch wir oft an unsere Grenzen. Vielleicht ist das ein Grund, weshalb in der christlichen Kinder- und Jugendarbeit die Thematik einer sozial-ökologischen Transformation noch selten im Mittelpunkt der Angebote, Aufgaben oder der Gesamtvision steht. Dabei wäre doch genau hier der Ort, wo eine Auseinandersetzung mit christlich-ethischen und zukunftsrelevanten Themen gemeinsam mit jungen Menschen stattfinden könnte.

Diese Masterarbeit möchte an dieser Stelle ansetzen und durch eine wissenschaftliche Betrachtung, Zusammenführung und Anwendung verschiedener Theorien begründen, weshalb eine sozial-ökologische Transformation ein Leitprinzip in jeglicher christlichen Kinder- und Jugendarbeit werden sollte. Dabei geht es um die Gestaltung, um das Design des ganzen Arbeitsfeldes mit allen dazugehörigen Aspekten. Erarbeitet wird ein Gestaltungsansatz, der drei Ebenen umfasst: Ein Gestaltungsauftrag mit normativen Werten und Zielformulierungen, ein Gestaltungsprozess, der praktisches Handeln und Vorgehen in der Arbeit in den Blick nimmt und eine Gestaltungskompetenz, mit der Einzelne befähigt und ermutigt werden können. Es wurden Impulse des Transition Design, einer Designdisziplin, die Transformationsprozesse gestalten will, beispielhaft auf die Arbeit des CVJM Oberalster zu Hamburg e.V. angewendet. So konnten sehr praxisnahe Handlungsoptionen u.a. in Form einer Impulsmatrix für verschiedene Aufgabenbereiche erarbeitet werden, die sicherlich auch in anderen Vereinen oder Gemeinden Anregung geben können.

Diese Masterarbeit versteht sich als Beitrag, als kleiner Schritt in einer großen Aufgabe. Es braucht parallel zur Theorie viele Erprobungen und Experimente in der Praxis - darum möchte ich werben und dazu motivieren. Vielleicht kann der ein oder andere Gedanke dieser Masterarbeit eine Grundlage oder ein ermutigender Anstoß für eigenes Handeln sein. Ich freue mich auf Rückmeldungen und vor allem viele Praxiserfahrungen.

Dies ist ein Ausblick über die Masterarbeit „Gestaltungsansatz für eine sozial-ökologische Transformation in der christlichen Kinder- und Jugendarbeit", wenn du die ganze Masterarbeit lesen willst, dann kannst du das hier tun: https://www.cvjm-hochschule.de/fileadmin/9_MASTERARBEITEN/Masterarbeit_Bu__chle.pdf

Weitere spannende Masterarbeiten findest du hier: https://www.cvjm-hochschule.de/studium/transformationsstudien-oeffentliche-theologie-soziale-arbeit-ma/masterarbeiten#c3565

 Ergänzungen, Kritik und Praxisbeispiele sind herzlich willkommen!

"Kontext & Kirchenentwicklung – wie geht das zusammen?"

[Artikel des Monats September 2022]

"Kontext & Kirchenentwicklung – wie geht das zusammen?"

by Daniel Gentner


Die Kontexte, in denen Menschen leben, arbeiten, sich engagieren,… befinden sich in einem ständigen Veränderungsprozess – „Nichts ist so beständig wie die Veränderung“ ist dafür ein passender Ausspruch, der sowohl Heraklit als auch Charles Darwin zugeschrieben wird.

Und was ist mit Kirche als Ort und Gelegenheit, an dem Menschen ihren Glauben in vielfältigen Gemeinschaftsformen leben und das Evangelium als frohe Botschaft erfahrbar wird?

Welchen Einfluss haben sich verändernde Kontexte auf die Kirche –oder besser: Wie kann der jeweilige lokale Kontext in der Kirchenentwicklung fruchtbar einbezogen werden? Wie kann die frohe Botschaft im lokalen Kontext wieder neu relevant werden?


Diese exemplarischen Fragen führen mitten hinein in das Anliegen kontextueller Theologien, die sich in unterschiedlichsten regionalen und zeitlichen Ausprägungen entwickelten. Doch was machen moderne kontextuelle Theologien für die Kirchenentwicklung in der katholischen Kirche in Deutschland aus?

Als ein Ausgangspunkt für solche kontextuellen Theologien zeigen sich im Ansatz „lokaler Theologien“ von Robert J. Schreiter und dem Modell der „Lokalen Kirchenentwicklung“ von Christian Hennecke u.a. acht gemeinsame Grundzüge:

  • Kontextuelle Theologien weisen eine grundsätzlich Prozess- oder Wegstruktur auf.
  • Sie basieren auf dem grundlegenden Vertrauen auf das Wirken des Heiligen Geistes und die prägende Kraft des Evangeliums.
  • Daraus resultiert eine ernstgemeinte und offene Charismenorientierung, die die Vielfalt im Volk Gottes widerspiegelt.
  • Die missio Dei öffnet dabei die Augen für die Mission Gottes und sein Handeln in lokalen Kontexten, in denen er zur Teilhabe an seiner Mission beruft.
  • Eine intensive Sozialraumorientierung bildet die Grundlage für jedes Engagement in der kontextuellen Transformation.
  • Dabei prägt die grundsätzliche Interdisziplinarität sowohl die Herangehensweise, als auch die konkrete Umsetzung und Reflexion.
  • Das Ziel ist die Kontextualisierung und Inkulturation der Frohen Botschaft des Evangeliums.
  • Dabei stellt die Gemeinwohlorientierung den Kern allen Handelns dar.
  • Dies alles geschieht in der Haltung der größtmöglichen Partizipation.

Was diese gemeinsamen Grundzüge in den beiden Modellen kennzeichnet,
wie sich diese in kontemporären Kirchenentwicklungsprozessen in Deutschland exemplarisch an zwei Beispielprozessen zeigen und
wie sich die Grundzüge interdisziplinär fundieren und erweitern lassen?

Das ergründet die Masterarbeit „Kontext & Kirchenentwicklung“ von Daniel Gentner, die im Rahmen des Masterstudiums Transformationsstudien: Öffentliche Theologie & Soziale Arbeit an der CVJM-Hochschule in den Jahren 2018-2021 entstanden ist.

Mit diesen Hypothesen und Erkenntnissen im Gepäck gilt es nun zu erkunden, wie die Rolle der lokalen Kontext in unterschiedlichen Kirchenentwicklungsprozessen gestärkt werden kann und wie das Evangelium so zur wahrlich Frohen Botschaft in einem konkreten lokalen Kontext werden kann. Daniel Gentner tut dies im Kontext seiner Arbeit im Erzbistum Köln und an seinem Lebensmittelpunkt in Grevenbroich und freut sich sehr über Vernetzung und Austausch mit Menschen, die sich ebenfalls in diesem Themenfeld engagieren.

Dies ist ein Ausblick über die Masterarbeit „Kontext & Kirchenentwicklung: Der Einfluss von ausgewählten kontextuellen Theologien auf Beispiele der Kirchenentwicklung in der katholischen Kirche in Deutschland", wenn du die ganze Masterarbeit lesen willst, dann kannst du das hier tun: https://www.cvjm-hochschule.de/fileadmin/9_MASTERARBEITEN/Masterarbeit_Gentner.pdf

Weitere spannende Masterarbeiten findest du hier: https://www.cvjm-hochschule.de/studium/transformationsstudien-oeffentliche-theologie-soziale-arbeit-ma/masterarbeiten#c3565

 Ergänzungen, Kritik und Praxisbeispiele sind herzlich willkommen!

"Weil ich berührt wurde"

[Artikel des Monats Oktober 2022]

"Weil ich berührt wurde - Die Resonanztheorie von Hartmut Rosa als Deutungsraum für die Jugendspiritualität"

by Markus Steuer


Jugendliche machen religiöse Erfahrungen. Dieser schlichte Satz gilt zwar nicht unbe­dingt für alle Jugendlichen, bildet jedoch die Grundlage für eine Vielzahl von Studien und wird auch von Praktiker*innen der religiös orientierten Jugendarbeit bestätigt. Dabei gilt einerseits, dass religiöse Erfahrungen individuelle und persönliche Erfahrungen darstellen und andererseits, dass dennoch Gemeinsamkeiten zu beobachten sind.

So gibt es Räume, in denen Jugendliche vermehrt religiöse Erfahrungen machen und solche, an denen dies seltener geschieht. Berichte aus der Praxis der christlichen Jugendarbeit legen z. B. nahe, dass Jugendliche im Kontext von Jugendfreizeiten häufiger solche Erfahrungen machen als etwa im Kontext von Gemeindegottesdiensten oder der Jugendgruppen­arbeit.

Für diese Beobachtung bietet die Resonanztheorie von Hartmut Rosa einen Erklärungsansatz: er spricht von „Resonanzräumen“, die Resonanz­erfahrungen, zu denen er auch religiöse Erfahrungen zählt, erleichtern bzw. ermöglichen. Wenn die Kontexte, in denen Jugendliche vermehrt religiöse Erfahrungen machen, sich als Resonanzraum beschreiben lassen, kann mithilfe der Resonanztheorie die christliche Jugendarbeit bewusst so gestaltet werden, dass sie religiöse Erfahrungen ermöglicht.

In meiner Masterarbeit habe ich deshalb die beiden Themenfelder Resonanztheorie und Jugendspiritualität verknüpft und untersucht, inwiefern die Resonanztheorie eine Art „Sehhilfe“ für das Verständnis religiöser Erfahrungen Jugendlicher und deren Kontext darstellen kann.

Dies ist ein Ausblick über die Masterarbeit „Weil ich berührt wurde - Die Resonanztheorie von Hartmut Rosa als Deutungsraum für die Jugendspiritualität", wenn du die ganze Masterarbeit lesen willst, dann kannst du das hier tun: https://www.cvjm-hochschule.de/fileadmin/9_MASTERARBEITEN/Masterarbeit_Steuer.pdf

Weitere spannende Masterarbeiten findest du hier: https://www.cvjm-hochschule.de/studium/transformationsstudien-oeffentliche-theologie-soziale-arbeit-ma/masterarbeiten#c3565

"Ein Ausrufezeichen hinter die Ekklesia"

[Artikel des Monats November 2022]

Ein Ausrufezeichen hinter die Ekklesia

by Tobias Faix


2011 unternahm Jan Hermelink den ersten Anlauf, Spielräume der Kirchenleitung zu erkunden und die Pastoraltheologie ins Tun zu bringen. Von der Wirkung der Inszenierung überzeugt, setzt sich sein jüngstes, gleichnamiges Buch damit auseinander, dass kirchliches Handeln auf Leitungsebene völlig anders aufgefasst wird, als seine Aufführung in der Gemeinde, wo es „stärker auf die Stimmigkeit des Geschehens, auf das überzeugende Zusammenspiel der Akteur*innen achtet als nur auf die schlussendliche Entscheidung“. Die Differenzierung entspricht der Realität verfasster Kirche: Kirche setzt Grenzen, statt dem Spiel mit Rollen die Bühne zu bereiten. Hermelink wirbt deshalb für eine Theologie, die einerseits bereit ist, Herausforderungen proaktiv zu begegnen, andererseits genuin religiöse Bezüge verbindlich macht. Heißt: Das Evangelium ist gesetzt und muss erprobt werden.

Das ist ein Patt in Zeiten, da Missionsarbeit eine Nische ist und institutioneller Druck den Markt lenkt. Deshalb – jetzt erst recht – hält es Hermelink für geboten, Kirche in Interaktion zu bringen, orientiert am sinnlichen Erlebnisraum des Theaters: Die Funktionskirche ablösen, Glauben (neu) inszenieren. Gemeinde benötigt einerseits den Raum, Reformen zu erkunden, und sie vermittelt Vertrauen in die Unverfügbarkeit des Evangeliums andererseits. Kirche mit der Botschaft Christi als stabilste Voraussetzung, hat im Reformstress verlernt Unruhe im Leben auszuhalten. „Darum betreffen Transformationen auch das theologische Selbstverständnis der Kirche“, schlussfolgert der Autor in Bezug auf soziale und religiöse Veränderungen.

Die Kybernetik („Steuermannskunst“) empfiehlt der Göttinger Theologieprofessor als Programmatik für „Akteur*innen, die sich als verantwortlich für die kirchliche Selbststeuerung begreifen“. Die Leitungsaufgabe des Pfarramtes fokussiert er auf die geistliche Leitung der Gemeinde sowie auf deren Zurüsten zur Selbststeuerung. „Jedes einzelne Mitglied der Kirche, das sich berufen glaubt, ist als Organ des Kirchenregiments zu verstehen und damit Adressat*in der Kirchentheorie“, nimmt Hermelink den historischen Verweis auf Schleiermacher und Barth zum Anlass, die Vision gelingender Kommunikation des Evangeliums zu erneuern, „am Ort, da Jesus Christus durch den Heiligen Geist als der Herr seine Kirche regierte“, wie es die Barmer Theologische Erklärung ausdrückt. Ergänzend heißt es in den „Spielräumen“, es sei weniger die Kirche als Ganze als vielmehr deren Gemeindeleitung als Ekklesia, die als Praxis der Inszenierung genauer begriffen und besser orientiert werden kann. Dahinter ein Ausrufezeichen.

Das Buch trägt Beispiele theatraler Inszenierungspraxis zusammen; vom Ringen um präsente Kommunikation während der Corona-Pandemie, über die Gestaltung von Tauffesten mit Schöpfungs-motiven, bis zur Auflösung parochialer Gemeindestrukturen zugunsten eines Netzwerks, in dem Menschen entsprechend ihrer Kompetenzen Verantwortung tragen. Allen gemein ist: Es geht um persönliche Erfahrung, gespiegelt an der unverfügbaren Wahrheit des Evangeliums. Durch sie wird die erlebte Aufführung ekklesiologischen Handelns sinnhaft und liturgisch verstanden.

Inhaltlich gelungen, bleibt die Frage, wie die Inszenierung ankommt: Wer greift zu dem Fachbuch? Für Gemeinden ist es zu wissenschaftlich. Den Radius theologischer Fakultäten sprengt die Intention des Buchs. Und dass Kirchenleitungen ihre pastoraltheologische Semantik so transformieren, dass sie ohne Strukturdruck auskommt, ist fraglich. So affirmativ der Titel des Buches daherkommt, so subversiv ist es, sich darauf einzulassen.

 

"Die Schatzkiste hat ihren Platz im Dorf"

[Artikel des Monats Dezember 2022]

Die Schatzkiste hat ihren Platz im Dorf

by Tanja Kasischke


Der VELKD-Band „Was braucht die Gemeinde?“ plädiert für proaktive Beziehungsarbeit in der Verkündigung und nimmt die Kirchenleitung in die Pflicht – zu verzichten.

Kirche hat ein Kommunikationsproblem. Es besteht im Mangel. Egal, auf welcher Ebene man sich bewegt, früher oder später (meist früher als später) geht es um strukturelle Defizite: Sinkende Mitgliederzahlen, marode Gebäude, erschöpfte Mitarbeitende, frustrierte Ehrenamtliche, wegbrechende Einnahmen. Das macht es schwer, auf gemeindlicher Basis im positiven Sinne eines Herausgerufen seins zu sprechen. Die Neuordnung kirchenpolitischer Verantwortung steht zweifellos an, hat die Freiburger Studie „Projektion 2060“ deutlich gemacht. Der Dialog über die Zukunft verfasster Kirche wird aber so geführt, dass der Glaube und die Botschaft des Evangeliums unter ferner liefen vorkommen. Sinnhaft ist das nicht, denn von dort bezieht unser Bekenntnis seine Berechtigung zur Hoffnung.

Stattdessen also Angst und Ungewissheit verkündigen? Entschieden nicht. Mit der Frage: „Was braucht die Gemeinde?“ an ekklesiologischem Zuspruch und Fundament, um angesichts gewaltiger kirchlicher Transformationsprozesse nahbar und handlungsfähig zu bleiben, hat sich die VELKD im Zuge der Neukonzeption ihres Gemeindekollegs befasst. Der Fachtag zum Thema ging wegen des eingeschränkten Handlungsspielraums unter: Er fand im Februar 2021 pandemiebedingt nur virtuell statt. Das jüngst erschienene Buch, welches das schwierige Passspiel zwischen Gemeindeumbau und Kirchentheorie wiedergibt, wirbt dafür, den Raum noch einmal in Präsenz zu hosten. Verdient hätte er es.
Herausgeber sind Braunschweigs Landesbischof Christoph Meyns und der VELKD-Rat Georg Raatz; der eine ist praxisorientiert, der andere hatte die theologisch-systematische Einfassung des Fachtags im Blick. Beide rüsten den Gemeinden zu, „als Minderheit in einem lebens- und weltanschaulich pluralem Umfeld das Evangelium von Jesus Christus in Wort und Tat zu bezeugen“. Zugleich benennen sie die Problematik, die sich aus der Fixierung auf die Struktur Kirche ergibt: Sie mache es schwer, sich von der Last einer „staatstragend gedachten Institution mit dem Anspruch, zentrale Instanz einer Lebens- und Weltanschauung von gesamtgesellschaftlicher Relevanz zu sein“ zu befreien. Kurz gesagt: Sie bremst den Wandel, ehe er Kräfte freisetzen kann. Die Kommunikation im Mangel kommt erschwerend hinzu. Der Mut, sich trotz struktureller Defizite gerade im Glauben stark zu äußern, ist gering. Dabei brauche Gemeinde Abenteuerlust, fordert eine der Beitragenden, Pfarrerin Eva Gotthold aus Stade. Es gelte, „die Schatzkiste des christlichen Glaubens so im Dorf zu platzieren, dass man nicht umhinkommt, sie zu öffnen, wenn man daran vorbeigeht“.

Erstes Fazit: Kirche hat ihren Schatz lange genug heruntergeredet. Dadurch sind Gemeinden schlecht gerüstet für die Transformation, weil sie seit rund 50 Jahren die Organisation kirchlichen Lebens über die gelebte Form als Glaubensgemeinschaft stellen (müssen). Die Folge: Gesellschaft verliert ihre religiöse Sprachfähigkeit, Kirche verliert ihre gesellschaftliche Relevanz und ringt ebenfalls um Worte. Sie wird nicht mehr verstanden. Sie versteht ihr eigenes Wort nicht mehr.

Selbsterkenntnis ist die eine Synthese des Buches. Die Aufforderung, Gemeindeumbau nicht von oben schlechtzureden, die andere. Das beweist die zwar wolkig formulierte, aber deutlich gemachte Kritik am EKD-Positionspapier „Kirche der Freiheit“ (2006), „das  Vertrauensbildung und Beziehungs-gestaltung im Glauben des Einzelnen stärker in den Fokus hätte nehmen müssen“, konstatieren die Autoren. Wo also ansetzen? In der Beziehungsarbeit kirchlich Mitarbeitender einerseits, und an Orten, die verschiedene Ebenen kirchlichen Lebens verbinden andererseits. Und dort die ekklesiologische Schatzkiste aufmachen, ehe sie für die Gemeinden zur Büchse der Pandora wird. Neu vermessen wird Verkündigung bereits in Erprobungsräumen, an dritten Orten oder mit Angeboten missionarischen Aufbruchs. Stärker berücksichtigt werden muss nun die Transformation der Gemeindeleitung. Heißt: Ansprüche senken und Hoffnung säen, dass die Gegenwart Gottes nicht von Zahlen abhängt. Wenn sie sich als lebensrelevante Bezugsgröße ausprobieren kann, ohne den Druck, die strukturelle Insolvenz von Kirche abwenden zu müssen, erlebt sich Gemeinde wieder als Schatzkiste der Missio Dei. Sie hat ihren Platz im Dorf.

Ergänzungen, Kritik und Praxisbeispiele sind herzlich willkommen!

 

Die Verwandlung der Kirche (Teil 5.2)

[Artikel des Monats Februar 2023]

Die Verwandlung der Kirche - Teil 2

Teil 5.2 von 5

by Arne Bachmann


Im letzten Blogpost habe ich beschrieben, wie gerade die leibliche Exponiertheit, die Ko-Präsenz und die Ankunft des Gastes wesentlich für christliche Vergemeinschaftung sind. Dabei habe ich insbesondere die Gastfreiheit als eine Freiheit durch den Gast betont.

Hier soll jetzt andersherum gefragt werden, wie diese Gastfreiheit uns prägen kann und was es heißt, für den Gast frei zu sein, sich dem Anderen zu öffnen und eine Vergemeinschaftung zu leben, die ein Aroma der göttlichen Gastlichkeit ist: nicht, weil sie diese einfach so verkörpern könnte, sondern weil sie von dieser bewegt ist und uns die Gastlichkeit Gottes neu schmackhaft machen kann. Es geht also darum, wie wir diese Gastfreiheit oder Gastlichkeit kultivieren können, wenn es doch gar nicht an uns liegt, ob überhaupt jemand zu Gast bei uns ist

Weiterlesen auf der Seite von Tobias Faix

 


Sie haben Fragen zum Studium?
Senden Sie uns eine WhatsApp: +49 (0)171 215 53 57

Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen ein angenehmeres Surfen zu ermöglichen.

Mehr erfahren